Off-Schalter im Gehirn gesucht

Mein Glaubensleben gleicht im Moment einer riesigen Baustelle. Einiges, was mich früher angetrieben hat, scheint plötzlich wertlos und mein Fundament trägt nicht mehr richtig. Ich hinterfrage Praktiken, Glaubenssätze und Verhaltensweisen. Und wie ich merke, hat sich das Ganze schon seit langem angebahnt. Ich habe diverses immer wieder kritisch hinterfragt, aber diese Gedanken dann einfach weggeschoben. Ich merke, wie vieles, was ich bisher einfach immer geglaubt und getan habe, überhaupt keinen Wert hat, weil ich es aus komplett falscher Motivation gemacht habe. Diese Motivationen sind bsp.: eigene und Erwartungen anderer erfüllen, fromm aussehen wollen, nicht nein sagen können, anderen gefallen wollen. Und dabei merke ich, wie ich meine eigenen Bedürfnisse oft sehr in den Hintergrund gerückt und in Tat und Wahrheit andere belogen habe, indem ich bsp. gesagt habe „Ja, habe Zeit/Freude/Lust dazu“, dies aber eigentlich nicht stimmte. Und das Erschreckende ist: ich habe immer noch einen Groll auf diese Menschen, obwohl sie ja gar nicht wissen können, was ich WIRKLICH gedacht habe.

 

Ich merke, wie sehr ich selber auch Erwartungen an Christen habe und wie sehr ich dabei enttäuscht wurde und noch immer werde. Wie es mir das Herz bricht, wenn Mitmenschen von Christen „im Namen Gottes“ total verletzt werden. Und wie ich dann wütend bin und dafür selbst Verantwortung übernehme. Und mich dann frage, was wirklich richtig ist. Und darauf finde ich einfach keine Antwort. Jesus ist eine so verwirrende Person. Und die Bibel noch mehr. Schliesslich berufen sich alle Christen auf die Bibel.

Aber was ist schon „ein Christ“? Warum gibt es so unterschiedliche Ausprägungen (von katholisch, über konservativ bis freikirlich)? Wie kann ich Antworten auf Lebensfragen finden, wenn es scheinbar für jeden Menschen unterschiedliche Antworten gibt? Wie können wir sagen, unser Gott ist immer derselbe, wenn er sich bei jedem anders zeigt? Wie können wir Licht und Salz sein, wenn jeder Licht und Salz sein anders versteht? Ist das nicht verwirrend für Nichtchristen?

Warum schicken wir gewisse Menschen  weg  und schliessen sie aus der Kriche aus? Hat Jesus auch Menschen weggeschickt? Mir fallen bsp. der reiche Jüngling und die Tempelhändler ein. Und warum schickt Jesus Menschen weg, wenn seine Liebe grenzenlos ist?

Wie kann die Aussage „ich will mehr sein wie Jesus“ keinen Druck auslösen, ohne dass ich zu passiv werde?

Darf ich Erwartungen haben? An Gott? An Mitmenschen? An mich selber? Gibt es einen Unterschied zwischen Erwartung und Vertrauen?

Viele Fragen. Heilsame Fragen. Aber für Heilung braucht es zuvor Wunden und Verletzungen. Entsprechend schmerzhaft ist dieser Prozess. Und heilsam zugleich. Es braucht oft nur wenige Stichworte in einem Gottesdienst, einem Buch, einem Gespräch und eine Lawine von emotionsgeladenen Gedanken löst sich in meinem Kopf. Eine Lawine, die vieles mitreisst und Leere mit vielen Fragezeichen zurücklässt. Leere, die wieder neu gefüllt werden darf. Ich wünsche mir im Moment oft einen Ausschaltknopf für mein Gehirn.

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