Die alte Dame und der Kardiologe

Es war einmal eine schon äusserst betagte, aber noch immer rüstige alte Dame. Zu ihrem ärztlichen Inventar gehörte auch ein Kardiologe (Herzspezialist) in einer Privatklinik. Als sie ihn eines Tages zwecks Kontrolle wieder einmal aufsuchte, fragte der spitzfindige Herr, ob die Frau denn auch zeitweise ein Druckgefühl in der Brust verspüre. Die ältere Dame, nichts ahnend und an Tugenden wie Ehrlichkeit festhaltend, bejahte wahrheitsgetrau, dass sie eines Morgens ein leichtes Druckgefühl auf der Brust verspürt habe, dass nach zweimal durchatmen wieder verschwunden sei. Das brachte den Herrn Kardiologen auf den Plan. Er hörte sein Sparschweinchen grunzen. Und ordnete umgehend eine Belastungsergometrie an: Er liess die alte Dame unter Überwachung ihres Kreislaufs auf einem Velo strampeln bis sie nicht mehr konnte. Aber sie hielt lange durch. Überdurchschnittlich für ihr Alter. Man könnte meinen, nun sei der Herr Kardiologe zufrieden, schliesslich hatte die Dame einen wunderbaren Kreislauf auch unter Belastung und es gab keinen Anlass für Besorgnis. Doch der Herr Kardiologe hatte sein Sparschweinchen noch nicht genügend gefüttert. Woher kam dann dieses einmalige Druckgefühl?! Trotz normalem Befund in der Ergometrie musste nun auch noch ein Koro gemacht werden. Die alte Dame wurde unter ständiger Röntgendurchleuchtung auf den Tisch gelegt und mittels Metalldrähten wurden ihre Herzkranzgefässe abgetastet und auf Durchlässigkeit überprüft. Nach 45min wurde die alte Dame unruhig und fragte, ob denn alles in Ordnung sei (bei dieser Untersuchung ist man wach, weil es nur einen kleinen Zugang über eine Arterie am Arm oder in der Leiste braucht). Der Herr Kardiologe konnte nichts Auffälliges finden und somit keinen teuren Stent (Gefässstütze, Metallröhrchen, um Gefäss offenzuhalten, ca. 5'00-1000 CHF pro Stück) einsetzen. Er musste die Drähtchen zurückziehen, bestellte die alte Dame aber pflichtbewusst noch zu einer Nachkontrolle ein (hört man da ein Schweinchen grunzen?!). Eine medizinische Kollegin bekam Wind von der Geschichte und riet der älteren Dame eindringlich von einem weiteren Besuch beim werten Kardiologen ab...

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Kommentare: 1
  • #1

    Kath (Samstag, 29 Juli 2017 11:53)

    Ja, diese nimmersatten Sparschweinchen. Die wollen schön gefüttert sein.
    Und dann diese Behandlungspfade... Da will man sich auch nicht mit einer Unterlassungsschuld vor den Patienten, Angehörigen und Kollegen bloss stellen und verantworten müssen. Es könnte ja sein, dass gerade bei dieser Patientin etwas Schlimmes übersehen wurde und was wäre, wenn das dann doch schwerwiegende Konsequenzen hätte. Da ist der Mut zur Lücke und vorallem der gesunde Menschenverstand gefragt.
    Danke für den interessanten Beitrag!
    Noch eine Anmerkung: Aus erster Hand ;) weiss ich, dass solche Stents heute -je nach Verhandlungsbasis- zwischen 500-1000 SFr kosten. Also eine Null am Schluss weniger.