Zuckerbrot und Peitsche

Gestern ging Teil 2 der schriftlichen Prüfung über die Bühne. Anscheinend war die Prüfung vom Dienstag Zuckerbrot, denn gestern folgte die Peitsche. Die Prüfung war richtig schwierig, so dass ich nach der Hälfte der Fragen so überhaupt keinen Bock mehr hatte, weil das ständige Raten und aufs-Bauchgefühl-hören extrem anstrengend war. Die Fragen, die ich mit 100prozentiger Sicherheit beantworten konnte, fanden sich vielleicht alle 8 Fragen. Also insgesamt zwischen 20-40 Fragen (von 150). Nicht gerade viel, um sich zurückzulehnen. Sondern eher Frust pur nach 6 Monaten intensiven Lernens tagein tagaus (ok, vielleicht auch ein bisschen übertrieben). Aber 6 Jahre Studium sind ja auch nicht nichts, um dann irgendwie im Kopf nur "a-zelle-bölle-schelle" zu machen, um zwischen A, B, C, D oder E zu entscheiden... Beruhigend war, dass es allen so ergangen ist. Es sind bei einigen Tränen der Enttäuschung geflossen... Die Prüfungsfragen fühlten sich für uns einfach nur unfair an. Es ging oft nur um Ausnahme und Spezialfälle. Nicht: Wie therapiert man diese oder jene Krankheit, nein, was macht man, wenn die Therapie fertig ist und die Krankheit wieder zurückkommt und der Patient nebenbei nun noch HIV hat. Das sind dann jene Informationen, die auf Amboss (meinem Online-Lernprogramm) klein und hellgrau zuunterst irgendwo gestanden sind, weil nicht so relevant... Oder leider gab es auch ganz viele Prioritäten-setz-Fragen: Kind kommt mit extrem hohem Fieber und seit 12h nichts mehr getrunken in die Praxis, was machen Sie zuerst?

A Infusion legen und Wasser geben

B an den Spezialisten überweisen

C Fiebersenker geben

D an die Notfallstation überweisen

E trösten

Ja und dann? Was ist jetzt das allerwichtigste? Wie weit ist es ins Spital? Wie kommen sie ins Spital? All das steht dann natürlich nicht da und ich sollte mich zwischen diesen Auswahlen entscheiden... Zum Davonlaufen... Als wir zu viert unter Kolleginnen anschliessend die Fragen Revue passieren liessen, kam es tatsächlich desöfteren vor, dass wir auch durch die Diskussion und das Nachschlagen der Krankheiten nicht abschliessend auf die sichere Lösung kamen! Wie gerne hätte ich bei diesen Diskussionen jeweils den Fragesteller dabei, damit die merken, wieviel wir uns überlegen und es dann doch unklar bleibt... Fragen stellen ist nicht einfach...

Weiter tröstend ist, dass die Bestehensgrenze im letzten Jahr bei 52% lag. Doch wie tröstend das wirklich ist, das frage ich mich je länger je mehr... Sind wir Studenten so schlecht vorbereitet? Sind die Fragen so schwierig? Oder kennt sonst irgendjemand eine Prüfung,  in der man mit nur 52% besteht?!? Eine Kollegin hat mal die Probe aufs Exempel gemacht und einem nicht medizinisch angehauchten Freund eine offizielle Probeprüfung (die uns von Bern zur Verfügung gestellt wurde) zu lösen. Ohne jegliches Wissen kam er auf 40%!!! Das ist doch sehr bedenklich... Da kann ich bald den Würfel an die Prüfung mitnehmen... (Falls jemand Lust hat, so eine Prüfung zu lösen unter eidg. Prüfung Humanmedizin Set 1 - 6 jeweils à 60 Fragen).

Ich möchte keine miese Stimmung verbreiten, ich fühle mich nach wie vor privilegiert, diese Ausbildung absolvieren zu dürfen und nun im Abschluss zu stehen. Und in der Praxis kommt es auch nicht auf das Prüfungsergebnis an. Und wir haben von Bern einen Fragebogen bekommen für Feedback, von diesem werde ich definitiv Gebrauch machen...

Nun werde ich die nächsten Tage einfach mal nichts Medizinisches machen: Aufräumen, putzen, Briefe/Mails schreiben, Hochzeit planen und einen Ausflug ins Wallis...

Nächste Woche beginnt dann die Vorbereitung für die praktische Prüfung am 4. oder 5. September.

Keep it rolling...

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