Irren ist menschlich und Fehler passieren. Aber an gewissen Orten sind Fehler gefährlicher als an anderen. Dem Patienten geht es plötzlich nicht mehr gut. Hat man etwas verpasst? War gestern doch bereits etwas auf der Lunge zu hören? Hätte man früher etwas tun können? Das Antibiotika höher dosieren? Oder hat sich die Lungenentzündung wirklich soooo schnell entwickelt? Die Selbstvorwürfe beginnen an einem zu nagen: Stirbt der Patient nun zehn Jahre früher, weil man etwas verpasst hat? Bin ich eine schlechte Medizinerin und damit eine Gefahr für die Menschheit? Wie sage ich es nun den Angehörigen?
Jeder Anfänger in weiss kennt diese Gefühle. Und wird sie vielleicht auch nie ganz verlieren. Aber heute sass ein sonst aufgestellter Kollege von mir mit betretenem Gesicht am Esstisch ohne ein Wort zu verlieren. Zu sehr hing er in Gedanken beim im Sterben liegenden Patient und suchte die Fehler bei sich selber. Es kann sein, dass tatsächlich der Verlauf etwas anders gewesen wäre, hätte man dies oder jenes getan. Hat man aber nicht. Und wir sind alles nur Menschen. Doch in der Medizin ist die Fehlertoleranz viel kleiner. Und die Konsequenzen viel grösser. Und die Selbstanklage auch. Und irgendwie muss der Umgang damit gelernt werden. Man darf Fehler machen, sonst wären wir ja keine Menschen. Und soll daraus lernen, sonst wären wir ja Unmenschen. Aber man darf sich deswegen nicht fertigmachen.
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