Das Diensttelefon klingelt: Ein Mitarbeiter habe eine Schnittwunde, ich solle in die Hausarztpraxis kommen. Da sitzt das kleine Häufchen Elend. Schnupperlehrling in der Küche. Brot schneiden war seine Aufgabe. Und da ist ihm das Messer in den Daumen gerutscht. Und nun blutet es seit einer halben Stunde. Ich solle es doch bitte schnell flicken, damit er wieder arbeiten gehen kann... Prüfend schaue ich mir die Wunde an: Allzu tief ist sie nicht, aber ein kleiner Hautlappen hängt ein bisschen. Ich kontrolliere die Muskel- und Nervenfunktion. Etwas verunsichert bin ich, weil die Sensibilität minim schwächer ist an diesem Daumen im Vergleich zu allen anderen Fingern. Ich frage kurz beim Oberarzt nach, der mich darauf hinweist, dass bestimmt ein kleiner Hautnerv erwischt wurde, der aber von alleine wieder nachwächst. Stimmt, darauf hätte ich auch kommen können... Ich überlasse dann dem Pechvogel die Entscheidung, ob er einen Stich oder lieber nur kleben möchte. Diese Entscheidung fällt ihm nicht leicht, nachdem ich ihm die Vor- und Nachteile beider Methoden erklärt habe. Doch irgendwie scheint ihm ein Stich sympathischer. Nun beginnt es in meinem Gehirn zu rattern, ist es doch schon über ein Jahr her, seitdem ich das letzte mal genäht habe. Finger habe ich bisher ein oder zweimal genäht. Wo muss ich jetzt schon wieder die Lokalanästhesie hinspritzen? Auf was muss ich besonders aufpassen? Welches Material brauche ich? Und wie ist jetzt der Ablauf? Zuerst spüle ich die Wunde und desinfiziere die Wundumgebung. Ich versuche alles Material bereitzulegen, weil ich ja anschliessend sterile Handschuhe anhabe und mir nichts mehr dazuholen kann. So hole ich noch eine MPA dazu. Doch irgendwie kennt sie das Prinzip der Sterilität auch nicht so genau. So versuche ich mit klaren Anweisungen dafür zu sorgen, dass es wenigstens halbwegs steril zu und her geht. Ich setze die Lokalanästhesie (Hauptsache kein Blutgefäss treffen, ist meine Devise, das Narkosemittel diffundiert dann schon an den richtigen Ort....). Bald schon bereue ich aber die Entscheidung zu nähen: Der Hautlappen ist so fein, dass der Faden ständig durchreisst. Ich probiere einen dünneren Faden. Nachdem ich einen Stich geschafft habe (geplant waren eigentlich zwei), gebe ich auf und klebe denn Rest mit SteriStrips zu. Die MPA macht noch eine Tetanus-Impfung und ich stelle eine Arbeitsunfähigkeit aus. Mit einem blutigen Daumen geht es für den Pechvogel definitiv nicht zurück in die Küche. Aber zurück zu mir, damit ich den einen Faden ziehen kann. Ausser er hat es selbst bereits gemacht, denn er hat sich erkundigt, ob er das nicht auch selbst machen könne...
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