Hoffnung vs. Realität

Stürze im Alter sind leider häufig. Und daran ändert sich auch nichts, wenn die Patienten hospitalisiert sind. Sie stehen auf und wollen nur schnell zum Rollator rübergehen. Und schon finden sie sich auf dem Boden wieder. Als Dienstarzt muss ich jedes Sturzopfer visitieren und untersuchen. So wie letzthin. Sie lag schon wieder zugedeckt im Bett, hatte keine Schmerzen, konnte aber ihr linkes Bein nicht mehr so gut bewegen. Was mir ins  Auge fiel: Das linke Bein war kürzer als das rechte. Schlechtes Zeichen, das heisst, wahrscheinlich ist der Schenkelhals gebrochen und eingestaucht. Ich konnte ihr aber auf der Hüfte rumdrücken und auch auf dem Oberschenkel, sie hatte nur wenig Schmerzen. Bei Bewegung waren die Schmerzen ab einem gewissen Punkt dann schon grösser. Mein Verdacht war eine Schenkelhalsfraktur (ja, bei Osteoporose kann dies auch einfach bei einem einfachen Sturz aus Körperhöhe passieren). Wieviel Hoffnung darf ich der Patientin machen? Darf respektive soll ich die Patientin mit der wahrscheinlichsten Diagnose konfrontieren, auch wenn sie noch nicht gesichert ist? Oder soll ich ihr die Hoffnung lassen, dass es vielleicht nicht so schlimm ist? Ich erklärte ihr, dass ich eigentlich gerne ein Bild machen würde, dies bei uns aber nur zu Bürozeiten möglich sei. Wir einigten uns, die Nacht passieren zu lassen und sie versprach mir, nicht mehr selbstständig aufzustehen und überhaupt nur im Rollstuhl. Ich meldete das Röntgen für den nächsten Morgen an, wo sich der Verdacht dann leider bestätigte und die Patientin auf die Orthopädie nach extern verlegt werden musste. Meine eher zurückhaltende Kommunikation hat ihr hoffentlich immerhin noch eine ruhige Nacht voller Schlaf beschert...

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